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AutorenbildEmre Akal

Ein Manifest zum Vergessen.

Wir sollten Museen gründen, tief in die Welt hinein, wie Orhan Pamuk einst in seinem Museum der Unschuld, Museen, die all das Gelebte eines Menschen konservieren und somit eine Installation für jedes verstorbene und gewesene Menschenwesen auf dieser Erde sein würden.


Orte, an denen man die aufgerauchten Kippen der Kettenraucherin nachriechen kann, an ihrer Zeit riechen kann, einen ihrer glücklicheren Momente nachschnuppern kann, Zigarettenstummel mit ein wenig Lippenrot am Rand.


Man kann auch gern im ausgestellten Wäschekorb nachsehen, wie man in einem immersiven Theaterstück in ihre Täschchen und Falten langen kann, in der Hoffnung, noch etwas von Wert zu finden … doch viel wird man eh nicht finden in ihrem Wäschekorb, den hat sie immer feinsäuberlich gelehrt, bevor sie das Haus verließ - man weiß ja nie, ob man wieder zurückkommt. Die Blöße einer dreckigen Unterwäsche wollte sie sich nicht geben. Genauso verhielt sich das mit ihrem Meerschwein Alfons und dem Rauhaardackel Max, die immer genug zu essen auf Vorrat hatten, um im Notfall ein paar Tage alleine zu überleben.


All jene Maxes und Alfonses, Unterhosen und Zigarettenstummel würden ausgestellt werden in diesem Museum des Lebens. Museum des Ablebens. Museum des Nichtlebens. Museum der Nichtigkeit. Nein. Das Museum des nicht mehr Dagewesenen. Ich hab's: Das Museum der seltsamen Phase Leben. So soll es heißen und soll uns alle einzeln erinnern, dass es wichtig gewesen war … zu „sein“. Das auch noch das banalste, das langweiligste, das unbedeutendste Leben ein Leben war und eine Ehrung verdient … dafür, lang genug ausgehalten zu haben; hier.


Von hier aus betrachtet ist es natürlich leicht, darüber zu schreiben. Man lebt ja noch und kann sich das so gar nicht vorstellen, nicht mehr zu sein, doch wer verstorben ist … ist einfach weg. Keine Geschichte, die er oder sie noch geradebiegen könnte … keine Ideologie mehr, an der sie oder er ein langes Leben lang hätte scheitern wollen. Nein. Alles vorbei.


In diesem Museum also kann man auf deren Möbeln sitzen, weil sie es selbst nicht mehr können, in ihren Büchern nachlesen und unbekannterweise an sie denken.


Vergilbte Bilder, vertrocknete Kaktusse. Weil Kakteen kannten sie einfach nicht. Zum Schluss, und das ist in jeder Installation vorhanden, das Schächtelchen des „GANZ GANZ BESONDERS WERTVOLLEN“. Denn die hat jeder, auch die ohne Haus und alle mit einsamen Begräbnissen.


Lasst uns diese Orte einrichten in vorhandene Kirchen, Moscheen und Synagogen … lasst sie uns zu Orten der Erinnerung an all das Gelebte und nicht Gelebte erheben, zu Orten des „Seins“.


Notiz am Rande: Daran erinnern, heute noch etwas besonderes zu tun. Wer weiß.

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